Das neue Vereinsheim und der Ausbau des Breitensports in den 60er Jahren

Die erfolgreichsten Abteilungen in den 60er Jahren waren Ringtennis und Leichtathletik. Besonders in den Jugendklassen konnten mehrere Badische Meister und sogar zwei Deutsche Meister hervorgebracht werden.

Der steigende Aufschwung im wirtschaftlichen und kulturellen Bereich wirkte sich auch positiv auf die Entwicklung der Turn- und Sportvereine aus. Der TSV Rüppurr erlebte so wie viele andere Vereine einen merkbaren Anstieg der Mitgliederzahlen. Schon bald zeigte sich, daß das 1953 errichtete "Turnerhäusle" nicht mehr den Anforderungen des aufstrebenden Sportvereins gewachsen war. Besonders die schlechten sanitären Anlagen, Wasch- und Umziehmöglichkeiten sowie der enge Gemeinschaftsraum standen der steten Weiterentwicklung des Vereins entgegen.

1961

Als sich die Lage sogar soweit zuspitzte, daß dem Verein erhebliche Mitgliederaustritte drohten, entschloß man sich, trotz großer Bedenken in Hinblick auf die finanzielle Belastung, zum Neubau des Vereinsheimes. Die Zusage finanzieller Unterstützung durch die Stadtverwaltung Karlsruhe, den Badischen Sportbund und das Regierungspräsidium Nordbaden erleichterten das Bauvorhaben. In einer einzigartigen Spendenaktion gelang es dem Verein und seinen Mitgliedern, ein Eigenkapital in Höhe von 17.674,95 DM aufzubringen. Nun stand dem Bauprojekt, welches im ersten Abschnitt den Bau eines Keller-, Erd- und Dachgeschosses mit mehreren Umkleide- und Geräteräumen sowie einem Duschraum, einem Sitzungs- und Jugendzimmer, einem großen Aufenthaltsraum und einer 4-Zimmerwohnung für den Platzmeister vorsah, nichts mehr im Wege.

Zwei Mitglieder, die Architekten Emil und Wolfgang Fischer, erwarben sich große Verdienste durch die Übernahme der Plangestaltung und technischen Durchführung des Neubaus. Verantwortlich für die Finanzierung des Projekts war Fritz Gröner. Bereits im Oktober 1962 konnte das Richtfest gefeiert werden. Dank der vielen privaten Spenden und freiwilligen Helfer, die in ungezählten Arbeitsstunden und zu jeder Jahreszeit auf der Baustelle tätig waren, konnte das neue Vereinsheim im November 1963 noch vor dem 90-jährigen Vereinsjubiläum seiner Bestimmung übergeben werden. Der Weg für eine erfolgreiche Zukunft war geebnet. "Mögen das neue Haus und die Sportanlagen immer Pflegestätten der sportlichen Erziehung und Ausbildung sowie der Freude und Erholung sein." Dieser Satz leitete die Denkschrift zur Einweihung des Vereinsheimes ein und war richtungsweisend für die Bestrebungen der Vereinsleitung, Jugendarbeit und Breitensport in den kommenden Jahren besonders zu fördern.

1964
Der "Zweite Weg" im Sport

Im Rahmen des sogenannten "Goldenen Plans" des Deutschen Sportbundes konnten Vereine in den 60er Jahren beim Bau neuer Sportstätten finanziell durch den Staat unterstüzt werden. Ein weiteres Programm des DSB wurde unter dem Namen "Zweiter Weg" in sämtlichen Turn- und Sportvereinen propagiert und hatte zur Absicht, die Bevölkerung verstärkt zur sportlichen Betätigung im Verein anzuregen. "Nicht Leistungssport und Terminkalender, sondern das gesunde körperliche Streben 'jedermanns' soll dabei im Vordergrund stehen."

Man hatte den akuten gesundheitlichen Notstand der Bevölkerung erkannt. Die Folge durch Bewegungsmangel führte vermehrt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen, einseitigen Belastungserscheinungen durch Beruf und Haushalt sowie zu häufigen Fehlhaltungen schon im Kindesalter. Den Begriff des Freizeitsports kannte man in diesem Sinne noch nicht, vielmehr gebrauchte man Bezeichnungen wie Turnen oder Sport für Jedermann.

Früh erkannte die Vereinsleitung die Zeichen der Zeit. Sämtliche Schulen und Haushalte wurden in Form von Rundschreiben über die Vorteile des Turnens für Jedermann und über die Angebote des Vereins informiert. Organisierte Großveranstaltungen, wie z.B. der Staffellauf "Rund um den Märchenring" aller Rüppurrer Vereine, und zahlreiche Werbeveranstaltungen auf der eigenen Platzanlage führten dazu, daß der Verein in der Zeit von 1959 bis 1964 eine Steigerung der Mitgliederzahlen von 557 auf 650 erreichte. Drei weitere Abteilungen wurden gegründet: die Ringtennisabteilung 1959, die Gymnastikabteilung für Frauen 1960 und die für Männer 1963. Sportfeste, Wanderungen, Altestreffen und Vereinsausflüge wurden zur ständigen Einrichtung des aktiven Vereinslebens. Über die Winterzeit, die eine Platzbenutzung nicht mehr möglich machte, veranstaltete der Verein jährlich ein vielschichtiges Winterprogramm mit Film- und Diavorführungen sowie einigen Vorträgen bekannter Sportler oder Persönlichkeiten.

1965
Mitgliederzuwachs und Übungsleiterprobleme

Durch den Mitgliederzuwachs und die Angebotserweiterung kamen auf den Turn- und Sportverein jedoch auch gewaltige Probleme zu. Franz Göckel, seit 1960 1. Vorstand, nahm auf der Jahreshauptversammg 1965 zur dieser Situation wie folgt Stellung:

"Die vom Deutschen Sportbund von der Öffentlichkeit zugedachten Aufgaben im Rahmen des 2. Wegs und die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung erfordern einen Einsatz, der über unsere Kräfte geht. Wir sollen einen möglichst großen Personenkreis zusätzlich zu unserem bisherigen Bestand anwerben und erfassen, ihn in unsere Übungsstunden eingliedern oder neue Übungsstunden einrichten. Wir sollen aber auch die Übungsleiter hierzu finden und stellen. Und wir sollen - von den bisherigen geringen Zuschüssen aus der öffentlichen Hand abgesehen - auch die hierfür erforderlichen Gelder aufbringen. Dies sind Aufgaben, denen kein Verein dieser Gattung gewachsen sein kann."

Die Frage nach der Vergütung der bisher größtenteils ehrenamtlich arbeitenden Übungsleitern und Übungsleiterinnen lösten heftige Debatten unter den Turnratsmitgliedern aus. Um die vielen Leiter der einzelnen Abteilungen zu halten und neue Übungsleiter zu gewinnen, sah man schließlich keinen anderen Ausweg, als von nun an jedem ein gewisses Entgelt zu bezahlen. Die dadurch entstandene hohe finanzielle Mehrbelastung des Vereins beschloß man über eine Beitragserhöhung auszugleichen.

Mittlerweile nutzten neben den Vereinsmitgliedern noch 1290 Schüler der Rüppurrer Riedschule, Eichelgartenschule und des Max-Planck-Gymnasiums regelmäßig die vereinseigenen Sportanlagen. Um diesem Ansturm Rüppurrer Schulen gewachsen zu sein und um die starken Abnutzungserscheinungen in Grenzen halten zu können, erhielt der Verein 1966 von der Stadtverwaltung die Zusage für die kostenlose Errichtung eines zweiten Spielfeldes am Eichelgarten. Die schlechte finanzielle Lage der Stadt verzögerte den Bau des neuen Sportplatzes über mehrere Jahre. Erst 1972 konnte das Feld schließlich mit der Hilfe des Vereins fertiggestellt werden.

1967

1967 wurde Erwin Moser zum 1. Vorstand gewählt. Er löste damit Franz Göckel, der sich besonders für die Durchführung des "Zweiten Weges" und des Breitensports eingesetzt hatte, nach langjähriger Amtszeit ab. Seine Vorstandschaft brachte wieder neuen Schwung in den Turn- und Sportbetrieb. Neben einer verstärkten Werbung wurde das Mehrzweckspielfeld um drei Ringtennisfelder erweitert. Im Rahmen eines 1973 von der Stadtverwaltung geförderten Freizeitprogramms vereinbarte Erwin Moser zusammen mit dem Bürgermeister Wäldele, daß "Nichtmitgliedern zum Erlangen des Sportabzeichens die Mitbenutzung der Vereinsanlagen ermöglicht wird." Als Gegenleistung dafür erhielt der Verein monatlich 5,- DM pro Teilnehmer. 1974 beschloß man, zum weiteren Ausbau des Freizeitsports neben der Platzanlage auch noch die Turnstunden der Skigymnastik und die der Frauen für Nichtmitglieder zu öffnen.

 

Grundlage der Geschichtsseiten ist eine Wissenschaftliche Arbeit für die Zulassung zum 1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien unter dem Titel: "Die historische Entwicklung des Turn- und Sportvereins 1874 Rüppurr e.V. von den Anfängen bis heute", angefertigt im Dezember 1998 von Kirstin Klee aus Forst am Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Karlsruhe unter Prof. Dr. Georg Kenntner.